Saturday, July 28, 2012

Itaparica bei Salvador de Bahia in Brasilien

Sonnabend, der 28. Juli 2012
 
Moin,moin aus Brasilien!
 
 
Unsere Uhren sind jetzt auf UTC-3 Stunden, will heißen, daß es hier jetzt  08:43 morgens und in Deutschland 13:43 am Nachmittag ist.  Der Törn über den Südatlantik war für uns einer der angenehmsten aller Zeiten.  Nur der von Chagos nach Mauritius im Indischen Ozean war vergleichbar.  Das gilt allerdings nur für uns Leute mit einem Katamaran!  Wir haben das Großsegel nicht ein einziges Mal ausgepackt, es steckt immer noch unter dem grünen Sailcover.  Einzigartig waren auch die vielen Wale, die wir gesehen haben und die uns Stunden- und Tagelang begleiteten.  Zum Glück haben wir keinen umgefahren, so wie es ADIO passiert ist, denn dann können die Viecher in der Tat böse werden.  Der Wal hat sie nach dem Zusammenstoß mit voller Wucht seitlich gerammt, so daß sie jetzt eine Riesenbeule in ihrem Schiff haben.  Glücklicherweise ist es aus Metall! 
 
 
Die Ankunft hier war ebenfalls eher tranquilo.  Statt wie fast alle anderen in den Yachthafen in Salvador de Bahia zu gehen, sind wir direkt zu der Insel Itaparica weitergesegelt, wo alles  sehr viel ruhiger und sicherer ist als in Salvador de Bahia.  Das nennt man hier übrigens das Schwarze Loch und zwar aus zwei Gründen.  Erstens weil dort einfach alles verschwindet, ob nun wegen Diebstahl, Raubüberfall, bei der Post oder beim Zoll und zweitens weil die Bevölkerung überwiegend schwarz ist. 
 
Inzwischen können wir auch wieder in der Plicht duschen, denn es ist endlich wärmer geworden.  Allerdings nur tagsüber, denn sobald es dunkel wird, fällt die Temperatur auf etwa 27°C oder sogar noch weiter ab.  Jetzt ist hier Regenzeit und so kann es  vorkommen, daß es  wochenlang regnet und außerdem muß man mit Kaltfronten und Sturmböen von bis zu 40 Knoten rechnen.  Hmmm...
 
Die letzten paar Tage auf See schlief Aurora auf dem Sofa im Wohnzimmer, denn sie war viel zu aufgeregt, wie immer wenn wir irgendwo ankommen.  Die  Lichter von Salvador waren schon einen Tag vorher am Nachthimmel zu sehen.  Unglaublich was wir Menschen so an Elektrizität verschwenden!  Als wir näher kamen, erinnerte es mich sofort an Belem, denn es stand ein Wolkenkratzer neben dem anderen.  Mir wurde allerdings erzählt, daß ansonsten alles total verkommen, verdreckt und zerstört ist. 
 
Hier ist mehr so die dörfliche Atmosphäre eines Touristenorts.  Es hat mich total an Soure in Marajó im Amazonasdelta erinnert, wo mein Bruder Birger & ich auf DHARMA BUM I zusammen mit den beiden Franzosen Dede & Riton von der VILLE DE SAINT NAZAIRE am 22.8.1989 waren.  Ich kann es nicht gut beschreiben, wahrscheinlich liegt es am Stil der Architektur und and dem flachen Land.  Typisch brasilianisch eben. 
 
Gleich am ersten Tag habe ich Schlauchboot und Außenborder runtergelassen und bin rüber zu dem älteren Ehepaar Reinhart & Marlene auf der ADIO aus Cuxhafen, die ich aus Mauritius kenne und die gute Freunde von Michael auf der TANOA sind.  Der ist übrigens sicher und wohlbehalten in Deutschland zu einem großen Empfang angekommen.  Mittwoch morgen waren wir auf der deutschen UI, wo eine Mutter mit ihren beiden kleinen Töchtern lebt, während der Vater in Deutschland arbeitet.  Viele Boote hier kommen aus Europa und haben mit der Segelei gerade erst angefangen.  An Land konnten wir Geld aus dem Automaten im Yachthafen holen, was wirklich sehr praktisch ist.  Danach haben wir eine Gurke für Hamsti und noch ein paar andere Sachen eingekauft.  Zurück an Bord gab es die "guten" Drei-Minuten-Nudeln aus Taiwan und ich habe erst  einmal das oberlahme WiFi/WLAN  ausprobiert.  Die  eMail geht so mit Ach und Krach, aber alles andere kann man vergessen.  ;-( 
 
Immerhin gelang es uns mit dem Kumpel von Roy Starkey von der SEA LOONE (12.9.1989 in Kourou kennengelernt) Kontakt aufzunehmen.  Zufälligerweise haben wir genau vor seinem Haus geankert.  Ron Llewellyn hat uns zu sich eingeladen und uns allerlei erzählt.  Er ist Fallschirmspringer bei den Special Forces in Australien gewesen und war spezialisiert auf "High Altitude, Low Opening" Absprünge wobei man extrem hoch oben mit Sauerstoffgerät und Spezialausrüstung aussteigt, den Fallschirm allerdings erst dann öffnet wenn es fast schon zu spät ist.  Das ist dazu gedacht, um nachts unbemerkt hinter die feindliche Front zu kommen.  Er hat auch die Engländer, Amis usw. in diesem Zeugs unterrichtet, doch nach 10 Jahren ist er ausgestiegen und hat seine eigene Fallschirmspringerschule eröffnet.  Alles sehr militärisch, mit Nahkampf in allen Variationen usw.  Der thailändische Kronprinz wurde von ihm trainiert und nach 14 Jahren konnte er dann endlich segeln gehen, was er die nächsten 16 Jahre auch gemacht hat.  Nach seiner ersten Weltumseglung wollte er von Neuseeland aus non-stop um Kap Horn, kam aber in einen gewaltigen Orkan mit von der Wetterstation am Kap Horn gemessenen 120 Knoten.  Gute Güte!  Obwohl er kein Fitzelchen Segel oben hatte, brach ein Norseman-Terminal, der Mast zerbröselte, die SULA kenterte durch und trieb mit dem Kiel nach oben.  Da dachte Ron dann, daß es das wohl gewesen wäre, denn er stand auf der Decke und das Boot wollte sich nicht wieder aufrichten. 
 
Irgendwann tat es das aber doch und Ron kroch nur im T-Shirt & Trainingshosen an Deck.  Totales Chaos (wir haben die Bilder gesehen), die riesige Luke vorne war auf und wurde vom Mast in dieser Stellung festgedrückt.  Bei jeder Welle schwappten Unmengen 5°C kaltes Seewasser rein und SULA drohte zu sinken.  Irgendwie hat Ron es aber doch mit Gewalt geschafft, die Scharniere der Luke zu zerstören, diese vor das Loch zu zerren und mit Draht wieder halbwegs vernünftig zu befestigen.  Er kroch wieder rein und bemerkte, daß er gerade dabei war an Hypothermie zu sterben.  Alles war voller Seewasser, Diesel, überall Kurzschlüsse, Qualm und Terror.  Da dachte er dann das zweite Mal, daß er diese Geschichte wohl nicht überleben würde.  Er zog sich all die (nassen) Klamotten an, bis er wie ein Michelinmännchen aussah und irgendwann mußte er sich dann daran machen, den Motor anzuschmeißen, was wiederum 2 Tage in Anspruch nahm.  Dann war die Funke dran.  Die Chilenische Marine war *total* ätzend zu ihm, er hätte monsterviel bezahlen müssen und wahrscheinlich sein Boot eingebüßt.  Da wurde er dann langsam grantig und ist mit dem Boot so wie es war unter Maschine non-stop nach Ushuaia in Argentinien gefahren.  Auch sonst war sein Leben ein einziges großes Abenteuer.  Warum er allerdings freiwillig in Südamerika leben will, kann ich beim besten Willen nicht verstehen.  Dabei gibt es doch so schöne Länder wie Neuseeland, Taiwan und auch sonst noch so allerlei in Asien.  ;-)))))
 
Es war schon dunkel und wir wollten dringend zurück an Bord, als wir PARPAR bemerkten und von Henry und Tuk wild an die SEUTE DEERN gewunken wurden.  Die kennen sich nämlich auch schon seit Jahren und zwar aus Chagos.  Dort saßen wir noch eine ganze Weile bei Hamburger Hans (72) und SangHee aus Korea.  Hans ist ähnlich wie ich schon als junger Mann aus Deutschland weg und hat viele Jahre in Südafrika und etlichen anderen Ländern verbracht.  Irgendwann hat er sich in Kapstadt eine 16 Meter lange Reinke aus Alu bauen lassen und die beiden sind damit um die Welt gesegelt.  Nach einem Zwischenspiel in Kapstadt sind die beiden nun wieder unterwegs in Richtung Karibik.  Natürlich haben wir beiden Nordlichter schön miteinander geklönt.  :-)
 
Unser Landausflug war allerdings nicht wirklich erfolgreich gewesen.  Zwar bekamen wir das leckere Mineralwasser  aus dem artesischen Brunnen Fonte da Bica de Itaparica, aber mit der SIM-Karte für das Internet wurde es nichts.  Die dürfen zur Zeit nämlich keine mehr verkaufen.  Auch von jeglichen Reparaturen in Brasilien wurde uns von allen Seiten dringend abgeraten.  Schöne Geschichte... 
 
Donnerstag waren wir gerade am Aufräumen, als Ron uns auf UKW-Kanal 69 anrief.  Wir waren zusammen in einem winzigen "Restaurant" essen, wo die reichliche Portion Reis, Nudeln, Bohnen und gebratene Hühnerbeine samt Wasser, Saft und Kaffee vier Real (€ 1,61) kostete.  Da waren wir dann auch wirklich satt.  Später stieß Henry zu uns, der ja ebenfalls Australier ist.  So kam es, daß ich wieder erst nach Hause kam, als es schon längst dunkel war. 
 
 
Gestern dann habe ich unseren Strandkajak zu Wasser gelassen, um mit Ulani zusammen Henry und Tuk zu besuchen.  Wir hatten eine ganz ausgezeichnete Unterhaltung.  Henry ist Geologe und zwar einer von denen, die tatsächlich draußen in der Wildnis herumkriechen und dort Forschungen betreiben.  Sein Satellitentelefon ist immer auf Empfang, und so braucht er sich um Arbeit keine Sorgen zu machen.  Er läßt Tuk und das Boot im Hafen, fliegt nach Papua Neuguinea, Ghana oder sonst irgendwohin und arbeitet ein paar Monate lang.  Henry liebt das Reisen in fremde Länder, Abenteuer und hat sich dazu noch die wissenschaftliche Neugier und Begeisterung bewahrt.  Es ist wahrlich ein Genuß sich mit ihm zu unterhalten!  Die beiden hatten an dem Morgen drei Langusten von einem Kanu gekauft, die es dann abends auf der SEUTE DEERN gegrillt gab.  Lecker!  Dazu Wein, Caipirinha, Steak, chinesische, thailändische und koreanische Gerichte, denn unsere drei Asiatinnen hatten sich alle am Kochen beteiligt.  Somit waren wir von 17:00 bis um 22:00 Uhr mit dem Abendessen beschäftigt. 
 
Eigentlich ist jetzt Schule dran, aber Ulani hat gerade Besuch von den beiden deutschen Mädchen Lina (6) und Yara (4), die ganz allein mit ihrem Schlauchboot angerudert kamen.  Sie schwimmen wie die Fische und sind genau so selbstständig wie die Franzosenkinder, die wir kennengelernt haben.
 
Ich werde mich demnächst mit Aufräumarbeiten beschäftigen, denn hier sieht es wirklich unglaublich aus. 
 
Viele liebe Grüße von
 
Holger, Liping & Aurora Ulani Jacobsen
Catamaran DHARMA BUM III
Itaparica, Brazil, 12°53.22'S 038°41.31'W

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