Weltumsegelung beendet - DHARMA BUM III ist wieder in Chaguaramas, Trinidad
Sonnabend, der 20. Oktober 2012
Wir verließen Itaparica zusammen mit SALSA und PARPAR. Während Kirk und Henry relativ nahe an der Küste segelten, gingen wir sofort auf Abstand. An der Küste gibt es oft viele kleine Fischerboote, flache Stellen, Felsen, Riffe und andere unangenehme Dinge. Anfangs zischten wir auch richtig gut ab, denn der starke und beständige Passat ist genau das Richtige für unser Boot. Später jedoch starb der Wind und wir waren umgeben von Regenschauern, Böen und einem bleiernem Himmel. Doldrums. Dazu kam noch eine starke Gegenströmung, die uns unausweichlich immer weiter ins Schlamassel trieb. Kirk sah was Sache war und fing an Richtung SO zu steuern. Nahe an der Küste bekam er leichten Wind, was für die kleine SALSA optimal ist. Wir dagegen hingen fest. So kam es, dass SALSA schon drei Tage vor uns in Trinidad ankam. Henry wollte von vornherein erst nach Surinam & Französisch Guyana.
Draußen im Atlantik brachte das Blauwassersegeln wie immer viel Spaß, aber zwischen Trinidad und Tobago sah die Sache dann anders aus. Der Schiffsverkehr nahm drastisch zu und niemand nahm auch nur die geringste Notiz von uns. Ich bekam keine Antwort auf UKW Kanal 16 und keinerlei Reaktion, als ich die Jungs mit meinem starken Halogen-Suchscheinwerfer anblinkte. Es scheint tatsächlich noch schlimmer als früher zu sein, so dass die Leute auf den großen Pötten sich nur noch auf ihre Bildschirme, ihr AIS, ihr Radar und generell auf ihre Elektronik verlassen. Wenn ich jetzt noch einmal losfahren würde, dann hätte ich einen AIS-Transponder, ein Radar (nicht so sehr um zu sehen, sondern mehr um gesehen zu werden) und ein Sprechfunkgerät mit DSC an Bord. Es ist schlicht und einfach zu haarig ohne. Dabei machen wir immer abwechselnd unsere sechs-Stunden-Wache. Dazu kam wieder einmal starke Strömung und zu guter Letzt hatten wir noch eine Bö von 50 Knoten (Windstärke 10), die unser Bimini noch weiter zerlegte. Ein weiterer Job für nach unserer Ankunft.
Wunderbar war allerdings die Tierwelt. Eine Schule großer Delphine begleitete uns fast einen ganzen Tag lang. Oben flogen verschiedene Sorten Fregattvögel als auch Greifvögel und Pelikane herum, im Wasser gibt es große bunte Hornhechte (etwa 1 m lang) als auch deren Jungfische, während es an Land von wahrhaft riesigen Nachtfaltern, Leguanen, Brüllaffen und vielen anderen Tieren geradezu wimmelt. Perfekt für Aurora Ulani.
Als ich bemerkte, dass wir in meiner Freiwache durch die Enge zwischen der Insel Monos und Trinidad selbst durchfahren würden, hatte ich einen Zahn zugelegt. Normalerweise fahren wir nirgendwo nachts rein, aber wir waren ja 2006 schon einmal sieben Monate in der Gegend gewesen und außerdem waren uns draußen einfach zu viele Schiffe, zu starke Strömung und zu viele Böen. Eine Stunde nach Mitternacht fiel der Anker und wir verkrochen uns in die Koje.
Als wir wieder aufwachten, sahen wir um uns herum die grünen Hügel von Trinidad, die uns sehr an Taiwan erinnern. Sieht fast wie zu Hause aus. Ich muss gestehen, dass es auch ein sehr gutes Gefühl war, die Weltumsegelung tatsachlich geschafft zu haben. Es gab so viele Zweifler – aber hier sind wir nun. Für mich ist es einer der Höhepunkte meines Lebens und es ist mir total egal, wie viele Leute es vorher schon gemacht haben. Einmal selber machen und erst hinterher darüber reden, wie einfach es doch ist, würde ich vorschlagen. ; – )
Es gab aber sofort eine Sache, welche uns überhaupt nicht gefiel. Wir waren nämlich umgeben von großen Schiffen. Aber bevor wir uns darum kümmern konnten, mussten wir erst einmal einklarieren, was wir dann auch unverzüglich gemacht haben. Überhaupt gar kein Problem. Wir sollen vor dem 1. Januar 2013 wieder dort antanzen, um unsere Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Ein schwedischer Fischer nahm uns in seinem Volvo zum nächsten funktionierenden Geldautomaten mit. Dann fanden wir heraus, dass die Preise während unserer Abwesenheit sehr gestiegen waren. Wir sind ja jetzt in der Karibik und das bedeutet vor allen Dingen teuer. Außerdem trafen wir überall eine ganz andere Sorte von Yachties, die sich vollkommen von den Leuten unterschieden mit denen wir es seit Madagaskar zu tun hatten.
Wir haben im HiLo Supermarkt frisches Gemüse und ein paar andere Kleinigkeiten eingekauft und trafen dann SALSA-Kirk, der mit zu uns an Bord kam. Wir bemerkten ein Schiff in Militärgrau, welches viel zu dicht bei uns ankerte. Das entwickelte sich zu einem Problem, denn gegen Mitternacht rumsten wir in das Teil hinein. Glücklicherweise hatten Johann und seine Frau die Sache im Griff und standen schon mit den Fendern bereit. Ihr Boot war ein altes holländisches Minensuchboot, ganz aus 6 Zoll starkem Teak gebaut. Das Lotsenboot hatte ihn angewiesen dort zu ankern und nun stand er genau über unserer Kette und unserem Anker. Wir haben eine Stunde lang miteinander geschnackt, bis die konfuse Strömung sich wieder beruhigt hatte. Diesen Umstand hatte ich während unserer langen Abwesenheit fast vergessen.
Morgens in aller Frühe holten wir den Anker hoch, der mir unnatürlich schwer vorkam. Das lag an einem großen und überaus schweren Stahlrohr, welches sich in meinem Bügelanker verklemmt hatte. Es dauerte so um die zwei Stunden, bis ich den ganzen Mist klariert hatte. Während dieser Zeit fuhren wir in der Bucht unsere Kreise, der Schweiß floss in Strömen und ich fluchte wie ein altgedienter Soldat.
Die nächsten paar Tage mussten wir immer wieder umankern. Es war keine Muring frei, alles war proppenvoll und gleich neben dem Muringfeld verläuft ein über 30 Meter tiefer Graben für die großen Schiffe. Keine wirklich guten Bedingungen zum Ankern. Außerdem verscheucht einen das Lotsenboot wenn ein großes Schiff oder die noch viel größeren Lastkähne (auf denen Teile einer Erdölraffinerie nach Venezuela transportiert werden) hier reinkommen wollen und man nicht in der designierten Ankerzone liegt. Viel schlimmer ist es allerdings, wenn man zu der Zeit nicht an Bord ist. Dann kommt nämlich ein Hafenschlepper und zieht einen samt Anker aus dem Weg. Danach hält der Anker meist nicht mehr. Und da man sich ja nicht an Bord befindet, kann man wahrlich von Glück reden, wenn das Schiff nicht auf Grund geht oder in eine andere Yacht donnert.
Nach einigen Tagen ergatterten wir dann doch eine YSATT-Muring, die wir gleich für einen Monat gemietet haben. Jeff von der SELAH, den ich schon aus Langkawi kenne, half mir unseren Kahn dorthin zu verlegen. Auf einem Kat ist es ja immer ein wenig problematisch, wenn eine der Maschinen ausfällt. Vorwärts kann man nur dann vernünftig steuern, wenn Fahrt im Schiff ist und rückwärts ist es so gut wie unmöglich. Es klappte aber alles ohne größeren Stress. Ich sprach mit Don, dem Boss von Powerboats und heuerte unseren alten Mechaniker Raymond wieder an. Er hatte uns damals einen neuen Zylinderkopf aufgesetzt und wird sich jetzt die Maschinen/Saildrives vorknöpfen. Unser alter indischer Freund Scooby wird die Luken neu abdichten und die beiden Brüder Arno & Peter aus Holland werden die Fiberglasarbeiten an der Nacelle (einer Art Mittelrumpf typisch für Privilege Katamarane) machen. Diese Katamaranspezialisten hatten während unserer Abwesenheit einen 55 1/2 Fuß Luxuskatamaran auf eigene Rechnung gebaut. Das Boot soll in etwa zwei Wochen ins Wasser, wo es erst einmal gründlich auf Herz & Nieren geprüft werden muss. Leider müssen wir nun bis Mitte November warten, bis Arno und Peter Zeit haben. So lange werden wir wohl hier im Wasser warten. Die beiden sind übrigens gute Freunde von unserem alten Kumpel Roy Starkey auf SEA LOONE (müsste gerade in Madagaskar sein) als auch von SULA-Ron, den wir gerade in Itaparica besucht hatten und der ebenfalls ein guter Freund von Roy ist. Irgendwie ist die Welt der Yachties doch sehr klein, ganz egal wie weit sie räumlich voneinander getrennt sind.
Wenn all diese Arbeiten abgeschlossen sind, wird unser Boot in einem wahrhaft guten Zustand sein. Schon komisch, wenn man all diese Reparaturen macht, nur um sein Boot hinterher zu verkaufen. Wir trafen eine Unmenge alte Freunde hier. Hamburger Jörn Grote, der früher die Firma First Mate innehatte, macht jetzt sein Kapitänspatent für Luxusyachten in Fort Lauderdale. Engländer Henry, dem die schöne kleine knallrote TABASCO gehört und der früher als Bühnenmanager für Elton John arbeitete, diverse Ehefrauen und Kinder trafen sich auf der Insel Gaspar Grande zu einem "Cooler Lime" wie Jörn es nennt. Es tat gut mal wieder mit so vielen alten Freunden zu schnacken.
Amerikaner Peter Laine hatte ebenfalls in unserer Abwesenheit einen großen Kat gebaut und war leider genauso überarbeitet wie früher. Der Deutsche Alwin, der mit uns in Neuseeland auf der Norsand-Werft lag, hatte sich gerade einen Fountain-Pajot Venezia Kat gekauft. Er meinte, wenn er nicht schon ein Boot hätte, würde er unser Boot vom Fleck weg kaufen. Leider ist die Karibik eigentlich gar kein guter Platz, um ein Boot zu verkaufen. Es ist schon schwierig genug mit den Reparaturen und der Verkaufsprozess ist wie emotional Achterbahn fahren. Unser alter Freund Douglas Billings, ursprünglich Fondsmanager in Nordamerika und später Eigner der Firma KISS-Windgeneratoren, hat seinen Laden inzwischen verscheuert. Ansonsten haben sich die meisten Leute wenig verändert und machen im Prinzip immer noch das Gleiche wie damals.
Natürlich machen wir uns auch viele Gedanken um "das Leben danach". Die Frau von Captain Fatty (kennen wir seit Samoa), meinte schon: "Vorsicht vor den Post Partum Depressionen!" Wir haben weiterhin vor, es mit Deutschland zu versuchen, obwohl uns praktisch jeder davon abgeraten hat. Dabei scheint selbst der Papierkrieg schon ein ernstes Thema zu werden. Es sieht fast so aus, als ob wir die Familienzusammenführung erneut beantragen müssen und dieses Mal muss Liping ihre Deutschkenntnisse sogar vor Ausstellung eines Langzeitvisums nachweisen. Schöne Geschichte!
Wenn alles wirklich lange dauert, kann es gut sein, dass wir Roy und noch ein paar andere alte Freunde hier wieder treffen werden. Schelmi & Isabelle auf ihrem 46 Fuß Wharram Tiki Katamaran WAKATAITEA (sie hatten ihn Neuseeland selbst gebaut als wir da waren) sind zwar zur Zeit noch in Kudat, Borneo aber sie planen im Eiltempo weiterzufahren und uns hier zu treffen. Das wäre natürlich supercool! Auch unsere deutsch-tschechischen Freunde Karl & Libu planen schon bald mit ihrer ROSINANTE aus Martinique hierher zu kommen. Sie sind zusammen mit Roy unsere erfahrensten Yachtiefreunde. Genau wie er, haben sie ihr Boot Anfang der 70er selbst gebaut und leben seither an Bord. Sie haben ihre beiden Kinder bis zum Abitur selbst an Bord unterrichtet, sind einmal um die Welt und nun freuen wir uns schon auf die kulinarischen Köstlichkeiten, denn Libu ist ein genau so guter Chef wie Liping.
Das wäre wahrhaftig ein schöner Abschluss unseres Yachtielebens.
Holger, Liping & Aurora Ulani Jacobsen