Saturday, October 22, 2011

Madagaskar - Nicht alles ist im Lot im Paradies - Sonnabend, 22. Oktober 2011

 
Sonnabend, 22. Oktober 2011
 
Nun sind wir schon bald zwei Monate hier in Madagaskar.  Am allerletzten Tag unseres Visums klarierten wir in Mauritius aus und machten uns auf den Weg nach Afrika.  Es war ein angenehmer Törn:  Langsam & ohne größere Katastrophen.  Genau so lieben wir es.  Nach einer Woche auf See sahen wir die Insel Ile Sainte-Marie vor uns und zur gleichen Zeit bemerkten wir eine Gruppe Buckelwale.  Noch nie zuvor hatten wir einen Wal beim Abtauchen beobachten können, wobei er die Fluke aus dem Wasser hebt.  Nun sahen wir es endlich und waren dementsprechend begeistert.  Die See ist wirklich nie langweilig, immer wieder gibt es etwas neues zu sehen und zu erleben.   
 
Kurze Zeit später überholte uns ein kleines rotes Boot unter Maschine, während wir langsam nur unter der Genua herum eierten.  Wir unterhielten uns kurz über UKW Sprechfunk mit dem australischen Geologen Henry von der PARPAR, den wir schon aus Mauritius kannten.  Das Einklarieren verlief in etwa so, wie wir es befürchtet hatten.  Alle Offiziellen wollten entweder Geld, eine Flasche Whisky oder sonst irgend ein Geschenk.  Vor allem der schmierige Zollbeamte fiel unangenehm auf. 
 
Während all dies nicht gerade billig war, so war es doch nicht unser größtes Problem.  Dieses war für die Bank reserviert, denn wir kamen nicht an unser Geld ran.  Schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als die VISA Gold Karte einzusetzen, um an der Bank einen Vorschuß abzuholen.  Das ist so ziemlich die teuerste Methode, aber sie hatte sich schon 2006 im Panamakanal bewährt.   
 
Irgendwann bekamen wir dann unsere Aufenthaltsgenehmigung für 90 Tage und kurze Zeit später saßen wir mit unseren Freunden in einer Art Touristenbar, um unsere sichere Überfahrt und Ankunft in Afrika zu feiern.  Die Tage danach waren eher von Arbeit geprägt.  Auf einem Boot gibt es immer etwas zu tun und außerdem mußten wir uns um Lipings Visum für Südafrika kümmern.  Per eMail war das allerdings ein totaler Reinfall.  Als ich nach einigen Tagen bei der Botschaft in Antananarivo anrief, meinten sie daß sie meine eMail in den nächsten Tagen lesen würden.  Auch danach kam nie eine vernünftige Auskunft.  Eines konnten sie allerdings sagen:  Wir würden persönlich auf der Botschaft erscheinen müssen, was eine mehrtägige Fahrt im Laster mit Allradantrieb aber ohne Stoßdämpfer über sehr schlechte Dschungelwege erfordert.  Nicht so ganz unser Fall, zumal wir unser Boot ungern irgendwo alleine lassen. 
 
Da der Paß sowieso auf jeden Fall nach Taiwan geschickt werden muß, haben wir uns überlegt daß wir ja auch dort und direkt das Visum beantragen können.  Fräulein Natalie Ng der Südafrika-Vertretung in Taipei beantwortete die eMail sofort und versicherte uns, daß es keine Probleme geben würde.  Außerdem wäre es umsonst.   Das war also schon einmal gebongt.  Nur konnten wir es schlecht in Ile Sainte-Marie erledigen. 
 
Unsere guten Freunde Elie, Marie-Laure & Jules von der OBERON aus Neukaledonien waren gleich um die Ecke am Festland von Madagaskar in Manumpana, so daß wir beschlossen dorthin zu segeln.  Erst einmal mußte ich allerdings das Unterwasserschiff säubern.  Dabei ging der Schnurrbart drauf, denn die Taucherbrille ist sonst undicht.  Ich hatte direkt am Ankerplatz von Ambodifototra Wale beobachtet & als ich ins Wasser sprang, war ich hocherfreut, als ich ihren Gesang hören konnte.  Nie im Leben hatte ich damit gerechnet so etwas einmal selbst zu erleben.  Einfach wunderbar!  Wenn ich daran denke, was man alles bei diesem Lebensstil erleben kann, dann überlege ich oft diesen zu einem permanenten zu machen.  Die OBERONs haben diese Sache für sich schon beschlossen.  Sie wollen für den Rest ihres Lebens auf ihrem Boot bleiben. 
 
Das war allerdings ganz und gar nicht das Gefühl, daß wir bei der Ansteuerung der geschützten Bucht von Manumpana hatten.  Es wehte  ganz ordentlich, die Dünung war dementsprechend, die Karten waren gänzlich falsch und Riffe lauerten überall.  Folglich durften wir mal wieder so richtig schön die Muffe der höchsten Güteklasse auskosten, die solch eine Situation mit sich bringt.  Als nur wenige Meter neben uns ein großer Korallenkopf aus den Fluten auftauchte, verfluchte ich das Yachtieleben von Herzen.  Wenn wir uns stur an die Seekarte gehalten hätten, so hätten wir unser Boot verloren.  Glücklicherweise hatte uns unser Freund Arne von der IEMANJA schon vorgewarnt und uns außerdem die Wegpunkte gegeben, auf denen er selbst sicher in die Bucht gelangt war. 
 
Später hörten wir, daß ein anderes Boot hier fast verloren gegangen wäre und schließlich abgedreht ist ohne in die Bucht einzulaufen. 
 
Als wir erst einmal an den blöden Riffen vorbei waren, da waren wir allerdings sehr geschützt, fast wie auf einem Ententeich.  Elie war völlig geplättet, daß wir schon da waren, denn all unsere Freunde wissen ja, daß wir das lahmste Boot aller Zeiten sind.  Nun, wenn ordentlich Wind da ist, dann kann DHARMA BUM III auch mal richtig schnell sein.  Während die meisten Boote bei soviel Wind anfangen die Segel runter zu nehmen, so kommt unser Kahn dann erst richtig in Schwung.  Unsere Lahmarschigkeit liegt aber natürlich auch daran, daß wir total überladen sind, da wir immer so viel Essen, Trinken, Bücher und anderen Krempel an Bord haben. 
 
Wir hatten eine ganz wunderbare Woche zusammen mit OBERON und hätten gerne noch mehr Zeit mit ihnen verbracht.  Sie mußten allerdings in Manumpana auf die französischen CNED Homeschooling Materialen warten & wir mußten dringend nach Nosy Be wegen dem Visum.  Auch bemerkten wir bald, daß Elie & Marie-Laure genau so unter Kulturschock litten wie wir.  Dabei segelt OBERON seit etwa 20 Jahren überall herum.  Elie meinte, daß es wirklich das erste Mal sei, daß er in der sogenannten Dritten Welt gelandet sei.  Selbst das tiefste Papua Neuguinea sei nicht vergleichbar.  Wir mußten ihm da beipflichten, denn selbst Kiribati war vergleichsweise hoch entwickelt gewesen. 
 
In der Dürrezeit hungern die Leute und müssen oft ihr letztes Land, Zebu oder sonstige Habseligkeiten herausrücken, um überhaupt überleben zu können.  Wie seit Tausenden von Jahren wird immer noch der Dschungel gerodet & abgebrannt, um es bei der nächsten Saison ein paar Meter weiter zu versuchen.  Nur gab es damals wesentlich weniger Menschen hier.  Jetzt  zerstört diese Methode die Landschaft und den Leuten geht es ebenfalls schlecht.  Sie wollen aber keine neuen Methoden anwenden, da ja die alten seit ewigen Zeiten gut funktioniert haben.  Hier an der Küste haben sie noch Glück, da sie ja Zugang zu Fischen, Krabben, Krebsen, Hummern, Muscheln und anderem Meeresgetier haben.  Weiter im Landesinneren und besonders auf den Hochebenen und in den Bergen ist Hunger an der Tagesordnung und überall kann man Hungerödeme sehen. 
 
Da Arne uns gewarnt hatte, daß es auf der anderen Seite Madagaskars kaum Regen gibt, verbrachten wir einen Tag im strömenden Regen, um unsere Wassertanks mit gutem Regenwasser zu füllen.  Elie saß ebenfalls im Regen, um ein  Huhn zu rupfen, was ihm am Abend vorher lebend an Bord geliefert worden war - nach drei Wochen anstrengender Verhandlungen.  Dafür schmeckte es auch besonders lecker! 
 
Meist wechselten wir uns ab mit dem Kochen.  Liping & Marie-Laure überboten sich mit Köstlichkeiten und unsere Gespräche waren genauso anregend wie die Küche.  Leider war diese Zeit viel zu kurz.
 
Weiter ging es rund um das  berüchtigte Cap D'Ambre.  Dort weht es meist sehr kräftig, dazu kommt sehr starke Strömung.  Entweder man muß mit einer halben Seemeile Abstand ganz nah an Land rum, oder aber das ganze Gebiet weiträumig umfahren.  Wir entschieden uns für die erstere Möglichkeit.  Als unser Boot mit 12 Knoten dahinpreschte, nahm ich bis auf 30% der Genua alle Segel weg.  Trotzdem machten wir immer noch bis zu 12,8 Knoten!  Nur  war es jetzt nicht mehr gefährlich, sondern einfach tolles Segeln.  Wieder konnten wir Wale und eine große Seeschildkröte beobachten.  Der schlanke weiße Leuchtturm mit der schwarzen Spitze sah richtig schick aus.  Nur funktioniert er leider so gut wie nie,  wie fast alle Sachen in Madagaskar. 
 
Als wir in Crater Bay ankamen, ankerten wir direkt hinter BYAMEE.  Aurora Ulani flippte fast aus vor Freude, als sie ihre Freundin Darien wiedersah.  Eigentlich wollen Paul & Joyce sich auf den Weg nach Südafrika machen, wo gerade die Rugby Weltmeisterschaft stattfinden sollte.  Das wollten sie allerdings den Kindern nicht antun & so gab Paul schweren Herzens seinen Plan auf bei der Weltmeisterschaft zuzugucken.  Dann war da noch Nadine, die achtjährige Tochter des Engländers Graham und der Südafrika-Inderin Veronica vom Katamaran NOW NOW.  Schon seit 16 Jahren kommen sie immer wieder hierher. 
 
In Hellville (Viele Grüße aus der Hölle!  ;-)  durften wir dem Hafenmeister weitere 100.000 Ariary (€ 37) bezahlen, während wir bei Fräulein "Derty" das Cruising Permit umsonst bekamen.  Der Schock kam allerdings bei DHL World Express (Deutsche Post), die € 95 dafür haben wollten den Paß nach Taipei zu schicken.  So viel hatten wir nicht dabei & also mußten wir genau wie bei den Offiziellen ein zweites Mal dorthin.   Inzwischen ist der Paß schon wieder auf dem Rückweg.  Letzte Nacht war er noch in Johannisburg. 
 
Hier haben wir hauptsächlich am Boot gearbeitet, was recht frustrierend war.  In meiner Kabine ging der Ventilator nicht mehr und bei 36°C finde ich es nicht so einfach meinen zwanzigminütigen Mittagsschlaf zu halten.  Nachts schlafe ich allerdings prima, obwohl meine Mädels es ein wenig zu warm finden.  Nach einem ganzen Tag voller Arbeit konnte ich stolz auf das Resultat  blicken:  In meiner Kabine ging überhaupt gar nichts mehr.  Ich war bös am Fluchen auf die Konstrukteure und besonders auf die "Headliner Guys" in Thailand, welche die  Kabel einfach zusammengezwirbelt und dann hinter der "Tapete" festgeklebt hatten.  Es blieb mir nichts anderes übrig als am nächsten Tag den ganzen Mist runter zu reißen, was hinterher natürlich unschön aussieht.  Außerdem mußte ich mehrere Kabel zerschneiden, bevor ich den Ventilator endlich wieder zum Laufen brachte.  Dann wurden wir erst  einmal alle drei krank, so daß ich beschloß etwas weniger schwere Arbeiten in Angriff zu nehmen. 
 
So kam es, daß mein Roman "Double Trouble at Sea" 14 Jahre, 3 Monate und 15 Tage nachdem ich ihn begonnen hatte, endlich als gedrucktes Buch bei CreateSpace und Amazon.com zu haben ist.  Ich bin so froh es endlich geschafft zu haben und ein wenig erstaunt, daß ich es  tatsächlich noch vor Weihnachten geregelt bekommen habe.  Leider kann ich hier in Madagaskar keine zweite Korrekturkopie bestellen, so daß ich nicht weiß wie viele von den Tipp- und anderen Fehlern nun beseitigt wurden.  Jede weitere Korrektur wird mich nun teuer zu stehen kommen. 
 
Wir verbrachten einige Zeit mit Henry & Tuk von der PARPAR, "Palain" von MERLIN, Lars von LUNA, "Captain" Kirk von SALSA und ein paar anderen Yachties.  Inzwischen sind allerdings nur noch MERLIN & wir hier.  Die anderen sind alle auf dem Weg nach Süden.  NOW NOW wird einen Abstecher nach Mayotte machen und dann wieder zurück kommen. 
 
Während die meisten Leute von der  landschaftlichen Schönheit Madagaskars, den lachenden Menschen, den niedrigen Preisen und dem bequemen Leben als Ausländer hier begeistert sind und am liebsten für immer und ewig hierbleiben würden, so können Liping & ich die Armut, das Elend, den Hunger, die Korruption, die politische Unsicherheit und all die anderen Probleme hier nicht übersehen.  Sicher, ich glaube schon das die Leute hier in einer Beziehung glücklicher sind als in den meisten Großstädten der westlichen Welt.  Nur...  Wie einer der Leute es hier ausdrückte:  "Die Leute Madagaskars haben ein echtes Problem alt zu werden." 
 
Nichts funktioniert.  Es gibt so gut wie gar keine Krankenhäuser, Schulen, vernünftige Strassen, die Armut ist erschreckend, dito der Hunger, die soziale Ungerechtigkeit usw. usf.  Dazu kommt noch die immerwährende Gefahr eines weiteren Bürgerkriegs in dem in einem einzigen Augenblick das ganze System zusammenbricht, Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind und Leute für ein paar Pfennige umgebracht werden.  Oder weil sich irgendwer irgendwann mal über sie geärgert hat. 
 
Die verzweifelten Leute versuchen auf jegliche Art irgendwie zu ein bißchen Geld zu kommen.  Wie Eli es ausdrückte: "Im Handel hier gibt es keine  Freunde."  Sie beklauen sich untereinander und nicht nur die reichen "Vassar" (Ausländer).  Einer der  französischen Entwicklungshelfer in Manumpana bot einem relativ guten Arbeiter einen festen Job mit vernünftigem Gehalt an.  Er wollte auch die teuren Schulgebühren für dessen Kinder zahlen.  Freudestrahlend nahm der Mann an.  Nur um wenig später bei seinem Gönner zu Hause einzubrechen, um ihn auszurauben. 
 
Während die letzte Regierung ebenfalls korrupt war, so wurden damals doch noch Schulen, Krankenhäuser, Strassen, Brücken und andere wichtige Sachen gebaut.  Außerdem versuchte man die einzigartige Flora & Fauna sowie die  Umwelt Madagaskars zu schützen.  Doch seitdem der DJ-Gangster seinen Coup gemacht hat, passiert in der Richtung überhaupt gar nichts mehr.  Einige Leute sagen sogar, daß es in den letzten 20 Jahren oder so keinerlei Fortschritte hier gegeben hat.  Und ein einheimischer Ingenieur gab traurig zu verlauten, daß sie wohl besser wieder eine Kolonie wären, denn die 14 Stämme kommen überhaupt nicht miteinander klar.  Die Entwicklungshelfer sind total demoralisiert und wissen gar nicht mehr was sie tun sollen.  Es ist wirklich und wahrhaftig eine einzige traurige Katastrophe. 
 
Die jungen Mädchen fangen schon mit 14 Jahren (dem "legalen" Alter hier) an auf den Strich zu gehen, wobei sie sich Syphilis, AIDS und alle möglichen anderen Sachen einfangen.  Das große Ziel ist es sich einen Ausländer zu angeln, um dann mit ihm möglichst aus Madagaskar zu verschwinden.  Die jungen Männer sind natürlich sauer auf die Weißen, die ihnen die Frauen stehlen. 
 
Für uns Segler gibt es dann noch ein paar Feinheiten mehr.  Die Piraten aus Somalia stoßen immer weiter nach Süden vor.  Freunde von uns, vor Anker in Mayotte, hörten auf UKW-Sprechfunk das Mayday eines Containerschiffes, welches von Piraten angegriffen wurde.  Das war nur 112 Seemeilen oder weniger als einen Segeltag von uns entfernt.  Irgendwann fängt die Wirbelsturmsaison an und im Süden warten die Stürme vom Kap der Guten Hoffnung auf uns.   Wenn ein Sturm gegen den Agulhasstrom weht, dann wird es dort extrem gefährlich.  So schläft kaum einer von uns besonders gut in dieser Zeit und wir alle werden heilfroh sein, wenn wir diese Sache erfolgreich hinter uns haben. 
 
Wenn wir den Paß mit  dem Visum wieder haben, dann planen wir nach Momoko zu segeln, wo es zahme Lemuren und Riesenschildkröten geben soll.  Dann noch einmal hierher zurück, um mehr Proviant, Wasser, Diesel und so weiter zu bunkern.  Weiterhin die Küste runter bis etwa zum Kap Andre, rüber zur Insel Bazaruto in Mozambique und weiter gen Süden nach Richards Bay.  Wie immer sind wir das letzte Boot. 
 
Ich hoffe das nächste Mal einen positiveren Bericht schreiben zu können und bin jetzt schon gespannt auf Südafrika.  Hier sind übrigens noch ein paar Bilder: 
 
 
Tschüß!
 
Holger, Liping & Aurora Ulani
Catamaran DHARMA BUM III
+261334078800 Airtel/Zain
+261348172664 Telma/Internet
Cramer Bay, Nosy Be, Madagascar
13°24.04'S 048°13.11'E

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