Sunday, March 23, 2008

Captain's Dinner auf einem Kriegsschiff aus Taiwan

                                                        Donnerstag, der 20. März 2008
Breite: 07°06.18'N Länge: 171°22.44'E
 
Dienstag abend haben mich rote Feuerameisen (Solenopsis invicta - die Unbesiegte?) unter dem Tisch draußen beim Shoreline erwischt. Sie taten ihrem Namen alle Ehre und selbst heute habe ich noch dicke Boppel, wo mich die Mistviecher erwischt haben.  Wie ich in meinem Lexikon lese, kommen diese Viecher ursprünglich vom amerikanischen Kontinent & haben sich inzwischen weltweit in den warmen Gegenden verbreitet.  Sie zerstören andere Ameisenarten, richten sehr viel Schaden an & können bei einigen Leuten sogar lebensgefährliche allergische Reaktionen hervorrufen.  Auch die unterirdischen Termiten aus Taiwan haben sich hier breit gemacht und fressen hölzerne Strukturen, daß man es kaum glauben kann.  Boote, welche an Land stehen sind ganz besonders gefährdet.
 
Lavac-USA wird mir umsonst die fehlenden Dichtungen für unsere Bordtoiletten schicken.  Die falschen darf ich behalten, was gut ist, denn sie passen auf eine andere Toilette, die wir allerdings zur Zeit nicht nutzen.  Gestern abend kamen Walter und Gisela von der ATLANTIS vorbei, um mein selbst gebrautes Bier zu testen.  Nachdem wir davon drei Liter vernichtet haben, kann man wohl annehmen, daß es die Qualitätskontrolle bestanden hat.  ;-)
 
Heute morgen haben wir erst überlegt mit den Dinghy loszufahren, um uns die drei Kriegsschiffe aus Taiwan anzugucken, denn Benzin ist wahrscheinlich billiger als die $3 für das Taxi.  Schließlich war uns das aber doch zu ruppig und wir sind über Land hin.  Walter und Gisela waren mit von der Partie.  Erst haben wir uns das große Versorgungsschiff angeguckt, auf dem heute abend auch das Captain's Dinner stattfinden wird - und zwar draußen auf dem Hubschrauber-Landeplatz.  Weiter ging es zu einer Fregatte der Chenggong-Klasse (beide in Amiland hergestellt) und zu guter letzt zu einem Lafayette-Zerstörer (Made in France).
 
Um letztere hatte es in Taiwan eine große Bestechungsaffäre gegeben - und natürlich war China auch sauer, daß die Franzosen die Dinger überhaupt an Taiwan verkauft haben.  Alles war sehr interessant, vor allem das Phalanx-Anti-Raketen-System und das ähnliche auf dem Lafayette-Zerstörer.  Läuft alles vollautomatisch über Zielradar und ballert mit bis zu 4500 Schuß pro Minute auf einkommende Raketen.  Die Raketen selber waren auch nicht von schlechten Eltern, sowohl die Boden-Luft-Raketen, als auch die ganz dicken, mit denen feindliche Kriegsschiffe aufs Korn genommen werden.  Selbst die großen Raketen können mit bis zu sechs Stück pro Minute auf ihre Reise geschickt werden.  Sehen fast wie Cruise Missiles aus und sind ihnen im Prinzip bestimmt nicht unähnlich.
 
Die Schiffe rauschen mit 25 Knoten durch die See (ein modernes atomgetriebenes U-Boot schafft dauerhaft locker über 50 Knoten), wobei die Lafayette-Zerstörer insofern interessant waren, als sie vier Motoren haben, die zwei verstellbare Schrauben antreiben und auch auf ein Bugstrahlruder verzichten können.  So ist es möglich an zwei Maschinen Wartung durchzuführen, während die übrigen beiden ganz normal weiter laufen.  Bei Vollgas laufen dann alle vier gleichzeitig.  Außerdem kann bei den Lafayette-Zerstörern der Kampfhubschrauber auf Schienen (und natürlich auch wieder vollautomatisch) hereingeholt und damit in Sicherheit gebracht und anscheinend auch in eine andere Ausgangsposition gedreht werden.  Als Walter fragte, was denn nun passieren würde, wenn es tatsächlich zu einem Seegefecht kommen würde, antwortete der junge Offizier:  "Wer zuerst schießt, hat die besten Chancen."
 
Aurora fand zwar alles sehr interessant, war aber noch immer angeschlagen von ihrer schweren Erkältung und litt außerdem unter der heißen Tropensonne.  Selbst das Geschenk einer Naruwan-Tragetasche und zweier kleiner magnetischer Matrosen hellte ihre Laune nicht merklich auf.  In letzter Zeit ist es wieder recht schwierig mit ihr, außer wenn sie Calvert-Schule machen darf.  Ich seh' schon: Sie schlägt da ganz nach Liping, was ich von Herzen begrüße.  :-)  Als sie gestern gerade zwei volle Lektionen hinter sich gebracht hatte, meinte sie zu Liping:  "Und wann darf ich die nächste Lektion lernen?"
 
Karfreitag 2008
 
Und außerdem Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche und somit Frühlingsanfang.  Gestern abend rief auf einmal Patrick Wang (früher im Bundestag von Taiwan) an, da er uns abholen wollte.  Walter und Gisela hatten zu einem Drink an Bord von ATLANTIS eingeladen, so daß wir gemeinsam von dort aufgebrochen sind.  Zu meinem Erstaunen fand sich bei den Taiwanesen kein einziger anderer Yachtie ein, sondern außer Chinesen nur lokale Würdenträger und deren Anhang.  Dazu gehören unter anderem anscheinend auch diverse Rechtsanwälte, die hier durch noch dubiosere Praktiken auffallen, als selbst in Amiland.  Außer Admiral Chen und Botschafter Bruce waren auch noch Präsident Litokwa Tomein und Außenminister Tony deBrum sowie etliche Abgeordnete anwesend.  Leider haben die Marschallesen beim Essen dermaßen zugeschlagen, daß für andere Leute kaum etwas übrig blieb.  Liping meint aber, daß es auch an der mangelnden Planung der Chefs aus Taiwan gelegen haben könnte.  Auf jeden Fall schmeckten mir besonders die Lammkoteletts mit Cumin (Kümmel?) und Oregano ganz vorzüglich.  Von Steffi haben wir übrigens gehört, daß die meisten Leute viel zu wenig von den Gewürzen benutzen, so daß der Geschmack gar nicht richtig hervorgebracht wird.  Außerdem werden die meisten Sachen viel zu lange gekocht, was dem Geschmack ebenfalls abträglich ist.  Wir können dem nur voll und ganz zustimmen.
 
Bruce hat mich zwar dem Admiral vorgestellt, aber ich habe mich hauptsächlich mit Kapitän Ching-Ming Chan unterhalten, der den Lafayette-Zerstörer befehligt.  Er hat immer wieder seine Bewunderung für unseren Lebensstil ausgedrückt und mir auch eine Visitenkarte gegeben.  Leider hat Aurora es inzwischen geschafft, diese irgendwohin verschwinden zu lassen.  Vielleicht war es aber auch der Wind, der Wind, das himmlische Kind, der hier oft durch das Wohnzimmer pfeift.  Wenn die Luken zu sind, wird es nämlich sofort sehr heiß und feucht.
 
                                                        Ostersonntag 2008
 
Bei Telekom-Nauru-Johnny gab es am Karfreitag extra-leckere gegrillte Tintenfische (Kalmare) hier aus der Lagune.  Außer mit Johnny habe ich mich hauptsächlich mit Elton, einem Fischereiinspektor aus Nauru, als auch mit dem Marschallesen Anton (der die Tintenfische gefangen hatte) und Albert aus Kosrae (Federated States of Micronesia / FSM) unterhalten.  Elton erzählte einige echte Horrorstories vom Leben auf den Purse-Seiners.  So hacken die Crews bei Meinungsverschiedenheiten mit Crews von anderen Schiffen sogleich mit Macheten auf deren Netze - und Leute - ein.  Selbst zu Schießereien ist es schon gekommen.  Anscheinend geht es da draußen echt zu wie im Wilden Westen.
 
Gestern habe ich dann das neueste Buch eines meiner Ober-Lieblingsautoren, Redmond O'Hanlon (1947),  gelesen.  In Trouble Again (Deutsch Redmonds Dschungelbuch) ist, seitdem es mir von meinem Prof  Lon Otto 1998 im Iowa Summer Writing Festival empfohlen wurde, *das* Reise- & Abenteuerbuch schlechthin.  Auch Liping ist wirklich begeistert von den Büchern Redmond O'Hanlons.  Nun habe ich durch Zufall die deutsche Übersetzung seines Buches Trawler  --  Von den Orkneyinseln bis nach Grönland (Serie Piper Taschenbuch, ISBN 978-3-492-24752-8,  €12,95) bekommen.  Also fiel die Arbeit erst einmal aus.  Ersatzlos gestrichen, zumal das Thema ja gerade brandaktuell ist.  Auch Trawler ist exzellent geschrieben, sehr informativ und teilweise dermaßen lustig, daß ich Tränen gelacht habe.  Ich kann es wirklich nur jedem empfehlen!  Es ist das intellektuellste seiner Bücher mit viel mehr Gedanken und Dialogen.
 
Dort wird unter anderem von einem Berkeley-Experiment berichtet, bei dem Stühle in einem Kino mit weiblichen Pheromonen besprüht wurden.  Die umsonst ins Kino eingeladenen Männer haben sich zu 100% auf diese Stühle gesetzt und die anderen frei gelassen.  Genau das gleiche passierte, als sie die Stühle mit männlichen Pheromonen besprüht  und Frauen ins Kino eingeladen haben.  Wieder eine Trefferrate von 100%.  Ist es nicht erstaunlich, daß unser Verhalten von irgendwelchen Dingen bestimmt wird, von denen wir absolut gar nichts mitkriegen?
 
Irgendwann muß ich mir auch mal ein paar Bücher zum umstrittenen Thema EQ (im Gegensatz zu IQ) besorgen.  Liping hat so was vor Jahren mal im Rahmen ihres Psychologiestudiums gelesen und da der EQ in unseren Gesprächen immer wieder auftaucht, wird es langsam Zeit, daß ich mich da genauer informiere.
 
Um 17:00 Uhr habe ich mir Aurora geschnappt und bin wieder zu Johnny & Co.  Dieses Mal hatte ich drei Liter selbst gebrautes Bier dabei, was dann auch ruckzuck verschwand.  Anton schleppte einen riesigen Kühlkoffer (wie ich einen im Cockpit stehen habe) voller Fische an, die sie hier Red Snapper und Grouper (Zackenbarsch) nennen.  Bin mir allerdings nicht sicher, daß dieses die richtigen Namen sind, vor allem beim Red Snapper.  Anton hatte sie im Laufe des Tages ganz allein irgendwo geangelt.  Außerdem scheint es immer Anton zu sein, der das Feuer entzündet und die Fische brät, was wohl sein Beitrag für die Bierrunde am Wochenende ist.  Die anderen Leute schleppen meist ein Sechserpack XXXX-Bitter und einen Sack voller Eiswürfel an.
 
Heute wird die ganze Bande zu uns an Bord kommen, wo wir sie mit Congyoubing (chinesischen Frühlingszwiebelpfannkuchen), selbst gemachtem Popkorn & selbst gebrautem Bier bewirten werden.  Vorhin krabbelte unser kleiner Rabauke eifrig über das Vordeck und auch sonst durch das ganze Boot, um die vom Osterhasen gelegten Ostereier aufzuspüren.  Dabei mußten wir feststellen, daß der Osthase hier keine Schokoladeneier hinterlegt, wohl in Anbetracht des heißen Tropenwetters.  Ganz schön schlau, der kleine Hase!
 
Morgen werden wir ernsthaft anfangen das Segel zu kleben, denn wir haben beschlossen, daß $300 für eine Pfaff 130 Nähmaschine zu teuer ist, da sie ja nur €75 oder $115 bei eBay kostet.  Hier lichten sich übrigens die Reihen, da immer mehr Boote gen Süden verschwinden.  Einige machen in Kiribati kurz Pause, während andere gleich ganz in den Südpazifik entschwinden.  Wir werden allerdings bleiben, bis all unsere Pakete hier angekommen sind & erst dann nach Kiribati segeln.  Schließlich planen wir ja noch ein ganzes Jahr in dieser Gegend zu bleiben, um uns die einsamen Atolle der Außeninseln anzusehen. 
 
Heute erfuhren wir, daß der ehemalige Bürgermeister Taipeis, Ma Ying-Jiu von der KMT die Präsidentschaftswahlen in Taiwan gewonnen hat.  Nach nur acht Jahren Unterbrechung ist die (ansonsten seit 1949 regierende) Kuomintang nun also doch wieder an der Herrschaft.  Gerade rief Botschafter Bruce an & meinte, daß er nun Zeit für ein Dinner an Bord von DHARMA BUM III hätte.  Das wird also irgendwann nächste Woche stattfinden.  Wir freuen uns schon auf dich sicherlich interessanten Gespräche! 

Sunday, March 02, 2008

Ein Tag an Bord eines hochmodernen Fischereifahrzeugs (Purse-Seiner)

Ein Tag an Bord eines hochmodernen Fischereifahrzeugs (Purse-Seiner)
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Auf dem Chinesischen Laternenfestival hatten wir den amerikanischen Kapitän Tony des Purse-Seiners AMERICAN EAGLE kennengelernt.  Obwohl das Schiff einer taiwanesischen Firma gehört, fährt es unter amerikanischer Flagge, da es so nicht für jede einzelne Insel eine eigene Genehmigung braucht, um dort fischen zu können.  Spart natürlich ganz unheimlich an Kosten, ist dabei aber für die amerikanischen Fischerboote eine Katastrophe, denn Fischereilizenzen sind sehr stark begrenzt.    Taiwans Quoten sind voll ausgelastet, so daß sie auf diese Art und Weise gewissermaßen um die Quoten herummogeln können. 
 
Wir kamen mit zwei Beibooten vorbei, als die AMERICAN EAGLE bei einem koreanischen Kühlschiff längsseits lag, um ihre Ladung zu löschen.  Dieses dauert mehrere Tage, obwohl mit jedem Netz etliche Tonnen Fisch auf das Kühlschiff wandern.  Bei dieser Ladung handelt es sich hauptsächlich um Skipjack-Thunfisch, der in einer Lauge aus Eis und Salz tiefgefroren gehalten & an Fischkonservenfabriken in Thailand geliefert wird.  Kaspar & Steffi von der CELUANN waren genauso beeindruckt wie wir, während unsere kleine Aurora Ulani recht froh war aus unserem wild bockenden Beiboot zu entkommen. 
 
Kapitän Tony nahm sich viele Stunden Zeit, um uns höchstpersönlich alles zu zeigen und vor allem unsere vielen Fragen zu beantworten.  Außer Tony ist kein anderer Amerikaner an Bord & außer dem Ersten Offizier gibt es nur noch zwei weitere Taiwanesen.  Wir trafen einen Filipino und alle anderen kommen hauptsächlich aus der VR China.  Insgesamt sind zur Zeit 43 Leute an Bord.  Es waren aber auch schon mal mehr als 50 Leute.  Normalerweise wird von morgens um 5:00 Uhr bis abends um 22:00 Uhr gearbeitet.  Den größten Verdienst bekommt nicht etwa der Kapitän, sondern der Mann, der die Fische ausfindig macht.  Wie der Erste Offizier uns erzählte, verdient dieser Mann in drei Jahren etwa 40 Millionen Taiwan Dollar (US$1.278.363).  Und insofern so ein großer Purse-Seiner unter taiwanesischer oder ähnlicher Flagge fährt, kann man auch die Kosten des ganzen Schiffes inklusive Hubschrauber und allem Drum und Dran in derselben Zeit wieder hereinbekommen.  Unter amerikanischer Flagge dauert so etwas dann schon mal 10 Jahre. 
 
Da wird es verständlich, daß bei allen Geräten, die der Auffindung der Fische dienen, kein Pfennig gespart wird.  Auf dem 12-bis-16-Meilen Radar kann man selbst auf diese Entfernung immer noch Vögel erkennen, die auf die Wasseroberfläche hinunterstürzen, um dort kleine Fische zu fangen.  Tony beruhigte uns Segler mehrmals, daß es absolut unmöglich wäre, daß so ein Schiff uns je übersieht.  Natürlich gibt es außer diesem "Vogel-Radar" noch etliche andere Radargeräte und dermaßen viele Kommunikationsmittel, daß man fast den Überblick verlieren könnte.  So werden zum Beispiel Radio-Bojen an Stellen abgeworfen, wo man Fische gesehen hat oder wo "Fish Attracting Devices" ausgelegt wurden.  Diese Bojen werden entweder mit einem großen "Radio Direction Finder" (RDF) wieder ausfindig gemacht oder senden gar ihre GPS-Koordinaten durch.  Letztere Bojen schlagen dann gleich mit etwa 2.000 Dollar zu Buche.  Natürlich hat jedes Schiff seine eigene streng geheim gehaltene Frequenz und da es im harten Konkurrenzkampf nicht gerade zimperlich zugeht, "klauen" die Schiffsbesatzungen oft die Bojen von anderen Schiffen, um ihre eigenen an diese Stellen zu pflanzen.  Später tauschen sie diese dann oft wieder miteinander aus. 
 
Tatsächlich verfügt die AMERICAN EAGLE über einen eigenen "Server-Room" voller modernster Computer, der dem eines Internet Service Providers (ISP) an nichts nachsteht.  Vier Mal am Tag kommt ein Anruf aus dem Hauptquartier in Taiwan über Inmarsat, um genauestens über die Lage informiert zu werden.  Das Schiff bleibt drei Jahre auf Fahrt, um dann für etwa drei Monate in der eigenen (!) Werft in Taiwan renoviert zu werden.  Die Crew arbeitet normalerweise sechs Monate am Stück, um dann zwei Monate frei zu haben.  Aufgrund der speziellen politischen Lage zwischen Taiwan und der VR China kann das Schiff die Crew allerdings nicht in Taiwan anlanden.  Außerhalb einer Zone von etwa 35 Seemeilen wird ein Rendezvous mit einem anderen Schiff vereinbart, welches neue Crew aus China mitbringt und gleichzeitig die alte abholt.  Ebenso geht es mit dem Tanken und dem Proviant, wobei diese großen Versorgungsschiffe bis zu den Marschallinseln oder bis nach Kiribati fahren, um die Flotte dort zu versorgen.  Bis auf den Kapitän bekommen so alle Leute an Bord Verpflegung aus Taiwan und China, was sie nicht nur am liebsten mögen sonders was auch um Ecken billiger ist als alles andere. 
 
Tony selbst hielte es allerdings für sinnvoller, wenn jedes Jahr eine internationale dreimonatige Schonzeit verhängt würde.  So könnten sich die Thunfischschulen regenerieren & die Schiffe könnten gleichzeitig in die Werft gehen.  Ausrotten werden man die Thunfische wohl nie, meinte er, aber irgendwann käme es eben doch so weit, daß sich die moderne Hochseefischerei nicht mehr lohnen würde.  Das sähe Tony nur höchst ungern, zumal auch sein Vater und sein Großvater schon Fischer gewesen wären. 
 
So ganz nebenbei erfuhr ich von ihm, daß es auf so einem Fischereischiff aus Taiwan doch merklich anders zugeht als auf einem deutschen Frachter wie der MS EIDER auf der ich 1979 als Decksmann nach Leningrad fuhr.  Die Ausbildung findet einzig und allein an Bord statt - nichts mit Seefahrtsschule, Lehrgängen, Prüfungen & Patenten.  Man kann eben nur unten anfangen und sich hocharbeiten.  Und wenn man Pech hat, wird man sein ganzes Leben als Crew arbeiten und nie zum Kapitän aufsteigen. 
 
Als wir in die große Speisehalle traten, bemerkten wir gleich, daß einige Crewmitglieder dort auf dem Fußboden schliefen.  Anscheinend war kein Platz für sie in den Crewquartieren.  Der Koch beklagte sich bei Liping, daß diese Meute zwar eher faul wäre, dafür aber beim Essen ordentlich zuschlügen.  Sechs Mal am Tag wird gefuttert und jeder Mann verdrischt bei so einer Mahlzeit etwa das dreifache wie unsereins. 
 
Aurora Ulani fand dies alles große Klasse, denn wieder einmal wurde sie mit allen möglichen Leckerbissen und Köstlichkeiten überhäuft.  Die vielen Tiere an Bord fand sie allerdings eher beängstigend, vor allem der große bellende deutsche Schaeferhund auf der Brücke.  Ein anderer junger Hund sprang schwanzwedelnd an ihr hoch, um sie abzuschlecken, worauf unser kleiner Zwerg überhaupt nicht vorbeireitet war & die beiden prompt umfielen.  Das gab wie zu erwarten ein großes Geschrei, welches aber glücklicherweise nicht lange währte.  Ansonsten rannten lauter Hühner über das Deck, was Tony nicht so erfreulich fand und irgendwo müssen auch Schweine auf dem Schiff leben, genau wie bei den alten Polynesiern. 
 
Tony erklärte, wie das riesige Netz deponiert und langsam und vorsichtig um die Fischschule herumgezogen wird.  Das hört sich leichter an als es tatsächlich ist und so kommt es oft vor, daß nur einzelne Fische gefangen werden statt eine Schule.  Mehrere "kleine" Boote mit starken Dieselmotoren müssen das Netz wie eine Kugel aufhalten, um den Fischen Platz zu geben mitten im Netz im Kreise zu schwimmen.  Wenn nämlich die Fische in Panik geraten und sterben, dann sinken sie sofort auf den Boden des Netzes, vermehren das Gewicht dort ganz erheblich und ziehen die Kugel aus der Form.  Und wenn sich gar ein paar Delphine (unter den Delphinschulen schwimmen oft Thunfischschulen) in das Netz verirren, so ist das ganz schlecht, denn obwohl diese locker oben über den Rand springen könnten, so begreifen sie es doch nicht, geraten selbst in Panik und der ganze "Set" wird sehr chaotisch und fällt dementsprechend schlecht aus. 
 
Glücklicherweise für alle Beteiligten - vor allem aber für die Delphine - haben diese inzwischen gelernt und machen einen großen Bogen um so ein Schiff.  Sobald sie es kommen hören, nehmen sie auf schnellstem Wege Reißaus, wobei sie anscheinend auch in der Lage sind diese Information und das Gelernte an andere Delphine weiterzugeben. 
 
Ein "Set" dauert von der Auslegung des Netzes bis zum Einholen des Fangs drei bis vier Stunden, wobei die Geschichte mit den Netz selbst nur etwa 23 Minuten dauert.  Die ganze andere Zeit wird auf die Sorgfalt verwendet, um die Kugel in Form und die Fische möglichst lange am Leben zu erhalten.  Im Durchschnitt gehen bei solch einer Aktion dann etwa 300 bis 400 Tonnen Skipjack-Thunfisch ins Netz.  Keiner dieser Fische ist groß genug, um bei den Japanern als Shashimi zu dienen.  Es kann aber schon sein, daß er z.B. in Hawaii in einem Touristenrestaurant als "Frisch Gefangener Hawaii Thunfisch" auf der Speisekarte steht.  Ich schätze die Größe der Fische auf maximal einen Meter lang und etwa 20 kg schwer. 
 
Auch den Hubschrauber ganz oben haben wir begutachtet.  Eine sehr kleine Maschine mit aufblasbaren Schwimmkörpern, die andauernd zum Einsatz kommt, hauptsächlich um Fischschulen ausfindig zu machen.  Zwischen den Landekufen steckte eine der Bojen, denn man weis ja nie wann sich Gelegenheit bietet das alte Bojenspiel zu spielen.  Mein Fall wäre so ein Helikopter allerdings nicht, denn was Tony so von dem Starten und Landen in schlechtem Wetter erzählte, ließ mir doch ein wenig die Haare zu Berge stehen.  Da habe ich lieber meinen festen - wenn auch ein wenig schaukelnden - Boden von DHARMA BUM III unter den Füßen. 
 
Kaspar ist als alter Sportsmann auch in den hohen Ausgucksmast geklettert, wobei er eigentlich vorhatte bis ganz nach oben in das geschützte "Körbchen" zu gelangen.  Dort fand er zwar auf Anweisung Tonys eine Falltür vor, konnte sie aber nicht aufkriegen.  Bei seinem vierten Aufstieg fand er schließlich eine Tür an der Rückseite des Turms, die aber leider verschlossen war.  Oder handelte es sich hier um einen Scherz von Tony? 
 
Dieser erzählte Steffi und mir derweil, wie er vor einiger Zeit drei I-Kiribati aus dem Wasser gefischt hatte, die monatelang mit ihrem Boot auf dem Ozean herumgetrieben waren.  Der älteste war "ein wenig wackelig auf den Beinen", aber die beiden jüngeren waren nach Tonys Aussage "topfit".  Sie hatten Angelzeug und etwas zu trinken dabei gehabt, so wie alle I-Kiribati es immer einpacken.  Meist sind ein paar Trinkkokosnüsse mit dabei und in Tarawa hatten wir viele ähnliche Geschichten zu hören bekommen.  Sehr erstaunlich, wie diese Mikronesier auf dem Meer überleben können.  Erstaunlich war auch die Ursache für die unfreiwillige Seereise.  Die Grund war einzig und allen ein verstopfter Treibstofffilter. 
 
Schließlich war es an der Zeit an unseren Abgang zu denken, wobei wir noch mit einem großen männlichen Mahi Mahi (Dorado, Goldmakrele, Dolphinfish oder Coryphaena hippuris) und einem ebensogrossen Wahoo (Tazzard, gehört zur Familie der Marline und Schwertfische, Acanthocybium solandri) beschenkt wurden.    Außerdem gab es noch im Dampf gegartes Brot chinesischer Art wie Baozi, Mantou und ähnliche Geschichten.  Zusammen mit den insgesamt 120 Eiern, etlichen Maiskolben usw. usf. die wir am Vortage von der Taiwanesischen Farm geschenkt bekommen haben, sind wir nun mit Vorräten mehr als eingedeckt.  Da wir ja sowieso keine Fischesser sind, haben wir auf den Wahoo ganz verzichtet, nur ein paar kleine Mahi Mahi Filets angenommen und den Rest Kaspar und Steffi überlassen. 
 
Wieder an Bord waren wir alle doch reichlich müde von den vielen Eindrücken der letzten Tage und mußten es eher ruhig angehen lassen.