Moinsen,
Ich weiß gar nicht so recht wo ich anfangen soll. Der letzte Beitrag stammt vom 11. April, als wir gerade im Peros Banhos Atoll im Chagos Archipel angekommen waren. Inzwischen ist schon der 2. Juni und viel ist passiert.
Nach nur 9 Tagen vor der Ile du Coin schwang der Wind um, so daß der Ankerplatz ungemütlich und gefährlich wurde. Wir sind also ein paar Seemeilen weiter zur Ile Fouquet gefahren, wo wir wiederum auf sehr tiefem Wasser geankert haben. Dort lagen wir geschützt, was sich allerdings bei einer plötzlich auftretenden "Squall" sehr schnell ändern konnte. Es waren so viele Kinder dort, wie Südafrikaner Bill von der JENAIN sie in den vielen Jahren in denen er schon nach Chagos kommt, noch nie gesehen hat. Kein Wunder, daß Aurora Ulani befand, noch nie an einem schöneren Flecken gewesen zu sein. Es war aber auch wirklich einmalig. Alle Inseln im Atoll sind unbewohnt und werden als Naturschutzgebiet von dem British Indian Ocean Territory (BIOT) Schiff BPV PACIFIC MARLIN rigoros kontrolliert. Als Folge gibt es Unmengen Fische in einer unvergleichlichen Artenvielfalt.
Bill gab mir ein paar Haken, Gummitintenfische, Blei, Angelsehne und viele gute Tips, so daß ich gleich bei meinem ersten Versuch vom Schlauchboot aus erfolgreich Bonitos fing. Bei der Ile du Coin konnten wir sie während der Feeding Frenzy sogar von Bord aus fangen, wenn wir nur irgend eine Art Haken ins Wasser hängten und damit an der Oberfläche herumplätscherten. Unglaublich!
Das Trolling vom Schlauchboot aus war da schon ein wenig komplizierter. Man mußte immer aufpassen (nicht nur auf Riffe und Korallenköpfe), daß der Köder ab und zu einmal - aber nicht ständig - zur Wasseroberfläche kam, wozu das Dinghy in Gleitfahrt sein mußte. Kleine Köder, kleine Fische, vielleicht 50 cm lang. Grosse Köder, mehr Geschwindigkeit, größere Fische, so etwa 75 cm lang. Nach kurzer Zeit bin ich nur noch auf Lipings Anweisung hin losgefahren, um schon nach kurzer Zeit mit genügend Fisch für die nächsten Tage wiederzukommen. Das war oftmals eine recht anstrengende Arbeit, vor allem wenn man gegen Wind & Wellen brettern mußte. Sobald ein Fisch am Haken war, mußte man den Fisch mit dicken Lederhandschuhen so schnell wie möglich einholen, weil man ihn sonst sofort an einen der zahllosen Haie verlor. Die waren aber nur dann aggressiv, wenn sie gerade einen Fisch futtern wollten, den man sich selbst zugedacht hatte. Schnorcheln & Schwimmen waren immer und überall möglich.
Bill & Paul von der BYAMEE waren nicht so erpicht auf die Bonitos und setzten alles dran, um Rote Schnapper von unglaublichen Ausmaßen, eine der vielen Zackenbarscharten, Jobfisch, Coral Trout oder andere Fische zu fangen, die mehr weißes Fleisch haben. Ich habe es auch ein paar Mal mit dem Bottom Fishing versucht, aber da ich jedes Mal Haken und Blei verlor und es manchmal überhaupt nicht bemerkt hatte, bis ich die Leine einholte um nachzusehen, gab ich es bald wieder auf. Zum einen hatte ich nur sehr wenige Haken und zum anderen hatte Liping inzwischen viele verschiedene Arten ausprobiert Bonito zuzubereiten, daß es im Prinzip gar nicht mehr Not tat. Nicht zu vergessen, den überaus nützlichen Tip von Bill! Sobald der Bonito im Beiboot ist, ihn mit einem alten Handtuch bedecken, um ihn ruhig zu stellen. (Einen Hai soll man dazu auf den Rücken drehen.) Dann ein kurzer Stich mit dem Icepick direkt ins Hirn, die Kehle durchschneiden und sofort ausbluten lassen. Letzteres ist enorm wichtig. Im Prinzip klappte auch alles ganz gut, aber manchmal kam ich trotzdem von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt (und in sehr schlechter Laune) wieder und fühlte mich so, wie meine Tochter mich in Chagos immer nannte: Massenschlächter der Unschuldigen!
Aber irgend etwas essen muß man ja & der mitgebrachte Proviant wurde bald auf allen Booten knapp. Schon nach kurzer Zeit gab es zu jeder Mahlzeit Fisch und zwischendurch als Snack oder abends zum Bier ebenfalls. Als wir einmal die Leute von MURUNGARU und BYAMEE einluden, übertraf Liping sich selbst und stellte fünf komplett verschiedene Fischgerichte auf den Tisch, so daß unsere Gäste aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kamen.
Leider ging der eine Monat unserer Ankergenehmigung viel zu schnell vorüber & wir mußten uns auf den Weg nach Mauritius machen. Gleich beim ersten Versuch fingen wir einen großen Yellowfin Tuna (Gelbflossen-Thun), dessen frisches Sahimi mit dem mitgebrachten Wasabi einfach unübertrefflich war. Kaum war der Haken wieder im Wasser war auch schon ein Mahi Mahi (Dorado, Dolphinfish, Goldmakrele) dran - aber unser doofer Autopilot suchte sich just diesen Moment aus, um mal wieder auf "Standby" zu schalten. Die Genua schlug back, wir hatten erst einmal anderes zu tun & der Fisch kam wieder frei. Doch schon wenig später ging uns ein großer Skipjack Tuna oder Bonito (bin mir noch nicht sicher was es denn nun war) an den Haken, der dann auch als Filet auf unserem Tisch endete. Da hatten wir dann erst einmal genug Fisch & hörten auf mit dem Angeln. Komischerweise hatte wir danach nicht einen einzigen Biß mehr.
Da es oft mit 22 bis 25 Knoten wehte und Flauten ganz und gar ausblieben, waren wir schon nach 11 Tagen in Port Louis, wo wir an der Betonpier anlegten, um einzuklarieren. Mittags ging es schon wieder los, denn wir hatten keine Lust mitten in der Stadt im Yachthafen zu liegen. Natürlich kam der starke Passat genau von vorn, so daß wir fast vier Stunden bis zur Grand Baie im Norden der Insel brauchten.
Weniger schön war, daß es mal wieder reichlich Bruch gab. Die eine Lichtmaschine macht nur noch alle Jubeljahre einmal Strom (schlecht repariert in Langkawi), beim anderen Motor bekam ich den Leerlauf nicht mehr rein & der Windgenerator verabschiedete sich vollkommen (Thermostate kaputt). Dann sind da noch die strukturellen Fiberglasschäden im Mittelteil vorne (schlecht repariert in Thailand) und etliche andere Sachen.
Wir mußten hier schon zwei Mal umankern, denn ein "Schreihals" (der hier Segeln unterrichtet) hat uns immer weiter in die Bucht reingescheucht. Dabei hatten wir die Küstenwache (die kontrollieren hier ständig) extra gefragt, ob wir an dieser Stelle ankern dürften. Man will sich ja nicht unbedingt gleich am Anfang mit den Einheimischen anlegen. Die ersten beiden Stellen hielt unser Anker prima, jetzt bin ich allerdings nicht mehr so begeistert. Wir haben vorne eine Ankerboje dran, was anfangs auch ein wenig Streß verursachte. Mein Tiefenmesser und die Karte hatten beide 5 Meter Tiefe angezeigt, so daß ich ein 7 Meter langes Tau verwendet habe, da man ja auch noch Knoten machen muß. Trotzdem verschwand meine (harte) Boje unter der Wasseroberfläche, wo sie eine Gefahr für vorbeibretternde Motorboote darstellte. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als vom Schlauchboot aus eine weitere Boje an der ersten zu befestigen, was nur unter größten Anstrengungen und wüsten Flüchen gelang. Brille, T-Shirt usw. war alles naß, schlammig und salzverkrustet als ich fertig war. Und natürlich ist meine alte Furunkel-Wunde an der Hüfte bei dieser Gelegenheit wieder aufgebrochen, so daß ich sie weiterhin mit Betadine desinfizieren muß & einen Verband tragen darf.
Am Mittwoch nach unserer Ankunft waren wir erst einmal bei dem großen französischen Supermarkt Super U und haben einen ganzen Berg von Köstlichkeiten eingekauft. Brie & anderen französischen Weichkäse, Emmentaler, Knoblauchwurst, Pate, Leberkäse, Tomaten, Butter, Baguetten und so weiter. Ulani war von unserem Abendbrot dermaßen begeistert, daß sie nur noch am Juchzen war. Und ich Blödmann habe mich natürlich überfressen. War wohl schlicht und einfach zu viel Fett. (Wer nicht hören will, muß fühlen.)
Das konnten wir uns leisten, weil das französische Futter hier billiger ist als in Frankreich! Wie kann das nur angehen? Ich nehme an, daß die Mehrwertsteuer hier nicht so absurd hoch wie in Europa ist, aber das ist natürlich nur eine Vermutung.
Inzwischen kommt wieder Kühlwasser aus dem Auspuff & ich kriege auch den Leerlauf mit einigen Schwierigkeiten wieder rein, obwohl ich gar nichts getan habe. Die Thermostat-Bimetalle für den KISS-Windgenerator werde ich eventuell aus Trinidad oder Amiland ordern müssen. Mal sehen...
Tagsüber ist es hier warm bis heiß, aber abends sitzen wir mit dicken Hemden und Jacken im Cockpit und nachts ist ein Schlafsack angesagt. Erstaunlich, dieser Temperaturunterschied zu Chagos, was für uns ja nur 11 Tage weit weg ist. Morgens um 5:30 Uhr ruft der Muezzin, was uns an Langkawi erinnert. Schon am 2. Tag haben wir neue Freunde gefunden, nämlich Shi Fangfang und ihren Mann, die hier das kleine Restaurant Hai Hua Jiu Jia betreiben. Sie sind seit 11 Jahren hier und so gastfreundlich, daß man es kaum glauben kann. Gleich am ersten Tag luden sie uns zu Essen & Bier ein und am 28. Mai riefen sie schon wieder an. Die Kinder seien gerade zu Besuch. Ob wir nicht Lust hätten sie kennen zu lernen? Wir hatten - nicht ahnend, daß es eine versteckte Einladung zu Shi Fangfangs 31. Geburtstag war. Ihr Vater war ebenfalls da und wir waren ganz offensichtlich die Ehrengäste. Wie bei Chinesen so üblich, bogen sich die Tische von Speisen, ich futterte schon wieder zu viel und wir waren gezwungen ganze Berge von Resten mit an Bord zu nehmen. Davon lebten wir dann die nächsten paar Tage...
Am Sonntag darauf konnten wir dann die Regatta der traditionellen Segelboote beobachten, deren Masten und Großbäume aus biegsamem Bambus hergestellt sind. Erstaunlich, wie die Dinger abzischen! Mir blieb allerdings fast das Herz stehen, als ein ganzer Pulk von den Viechern, jedes rammelvoll mit Leuten, genau auf uns zuhielt, um dann mit vielleicht einem Meter Abstand auf beiden Seiten von uns vorbeizusegeln. Dazu johlten die Jungs dann aus vollen Kehlen, denn der Wettkampfeifer hatte sie voll in den Krallen.
Montag vor einer Woche haben wir es dann endlich in den Yachtclub hier geschafft. Für Weltumsegler ist der erste Monat umsonst, man kann die Duschen und auch sonst alles mögliche im GBYC benutzen. So eine heiße Dusche mit richtig viel Wasser ist nach so langer Zeit ein wirklicher Genuß! Dort haben wir auch ein paar neue Leute kennen gelernt, die hier schon länger leben. Ein Pilot aus Südafrika mit seiner französischen Frau und ein weiterer Südafrikaner mit seiner russischen Frau aus Sankt Petersburg. Und natürlich deren Kinder. Somit hat Aurora auch ein paar neue Spielkameraden, denn Alexandre und Nikita sprechen beide Englisch.
Ein paar Arbeiten habe ich natürlich auch "schon" erledigt, die Batterien gecheckt und Diesel nachgefüllt. Das war gar nicht so einfach, denn durch das viele Salzwasser waren die Alu-Einlässe dermaßen korrodiert, daß ich sie nur mit Gewalt öffnen konnte, indem ich die Winschkurbel mit einem Tau belegt habe, welches ich dann auf die Winsch nahm. Man muß sich nur zu helfen wissen - sagte der Mann mit den zwei linken Händen und den zehn Daumen. <hihi> Wir haben noch etwa 262 Liter Diesel in den Tanks, von insgesamt etwa 669 Litern in Langkawi, so daß wir Pi mal Daumen 407 Liter verbraucht haben. So viel war das bis jetzt noch nie & außerdem ist das Zeugs hier ausgesprochen teuer, da Mauritius ja eine kleine Insel mitten im Nirgendwo ist. Gestern wurde uns erzählt, daß der Liter Diesel hier um die US$ 1,50 kostet!
Reparaturwerkstätten irgend einer Art scheint es in Grand Baie nicht zu geben, aber sowieso sieht es in dieser Beziehung eher schlecht aus. Es scheint, als ob erst Südafrika wirklich gute Möglichkeiten bietet.
Auch mit dem Papierkrieg habe ich angefangen. Aurora Ulani braucht einen neuen Paß, Visa für Reunion, Madagaskar und Südafrika müssen beantragt werden. Das kann einen fast in den Wahnsinn treiben! Erst einmal muß man nämlich alle möglichen Dokumente aus D-Land und Taiwan anfordern, die teilweise auch noch übersetzt und notariell beglaubigt werden müssen. So etwas kann dauern, was wir beim ersten Mal am eigenen Leib erfahren hatten. Damals hatten wir den Prozeß in Tahiti begonnen, in Samoa weitergeführt und erst in Fidschi zu Ende bringen können... Beide Elternteile und das Kind müssen
persönlich auf der Botschaft erscheinen und außerdem muß diese auch über eine Fingerabdruckmaschine verfügen. Dann wird das ganze Zeugs vom hiesigen Ehrenkonsul an die zuständige Botschaft in Madagaskar geschickt und von dort nach Berlin weitergeleitet. Und Südafrika besteht darauf, daß Liping ihr Visum in Taiwan beantragt. Zumindest müssen sie den ganzen Kram bei der zuständigen südafrikanischen Stelle in Taiwan verifizieren lassen. Die Hauptstädte in Madagaskar und Südafrika sind 650 km & 550 km Luftlinie (respektive) vom nächsten Hafen entfernt... Das wird bestimmt wieder "lustig" werden, wie die Schweizer immer sagen.
Am 1. Juni haben wir uns auf die Socken gemacht, um mit dem Express-Bus nach Port Louis zu fahren. Die Dinger fahren alle halbe Stunde und die Fahrt selbst dauert 35 bis 40 Minuten, wenn nicht gerade Feierabendverkehr ist. Wir haben die deutsche IEMANJA mit Kapitän Arne & Familie besucht, die in der Caudon Marina (Yachthafen) mitten in der Stadt liegt. Kostet nur etwa US$ 12 pro Tag, ist aber überhaupt nicht unser Fall. Sehr laut, viele Leute, Dreck in der Luft und tagsüber recht heiß. Dort sahen wir dann auch alle anderen Boote, die wir von der SSB-Funkrunde her kannten. Außer uns liegt tatsächlich jedes einzelne Boot im Yachthafen! Wir hatten uns schon gewundert, daß hier in der Bucht keine anderen Yachties liegen.
Der französische Arzt Yvan ist mit seiner L'INTERDIT bis nach Sri Lanka gefahren, die ganze Zeit nur unter Motor, da überhaupt gar kein Wind war. Ein anderes Boot mußte sich nach Chagos reinschleppen lassen, da der Ruderschaft gebrochen war. Das haben sie dann bei den US-Militärs in Diego Garcia reparieren lassen, wobei sie die ganze Zeit auf dem englischen BIOT-Schiff bleiben mußten. War bestimmt eine ausgesprochen teure Angelegenheit. Andere Boote haben einen derart rasanten Törn gemacht, daß sie schon nach 4-5 Tagen hier angekommen sind. Die meiste Zeit blaues Wasser an Deck, Lecks absolut überall, selbst eine Winschkurbel soll von der Tasche am Mast (!!!) weggespült worden sein. Ka-wow!
Wir selbst hatten dagegen ja den besten Törn in vielen Jahren. Liegt aber vielleicht auch an unserer extrem konservativen Segelführung, denn oftmals hatten wir ja nur die Genua oben. So werden wir auch in Zukunft verbleiben. Mein Vater sagte ja schon, daß ich fast wie ein alter Opa unterwegs bin. Von wegen am liebsten Windstärke vier von hinten und so. <Grins> Das stimmt auch haargenau!
Wir haben unsere Chinesischen Freunde vom Restaurant Hai Hua Jiu Jia davon überzeugt, daß es eine gute Idee ist für die Yachties einen speziellen Service anzubieten. So bekommen die Yachties jetzt 10% Rabatt, können ihre Wäsche dort günstig waschen lassen, haben WiFi/Internet dort und auch bei der Verproviantierung können die beiden behilflich sein, da sie ja ohnehin immer en gros für ihr Restaurant einkaufen. So haben wir gestern signierte Flugblätter (Speisekarten mit Straßenkarte, die als Coupons fungieren) an die anderen Boote hier verteilt. Später im Klub half ich dann noch einem Chaotenboot aus Reunion, Wasser zu holen. Die Jungs hatten doch sage und schreibe genau einen einzigen Kanister!
So, nun sollen wir gleich erst einmal futtern, einkaufen, arbeiten, Wasser aus dem Yachtklub holen usw. usf.
Ciao for now from Mauritius,
Holg, Liping & Aurora Ulani vom Katamaran DHARMA BUM III
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