Sunday, March 07, 2010

Von Singapur nach Langkawi

Liebe Freunde,                                                                                         Langkawi Island, Malaysia
                                                                                                                06°18.63'N 099°50.58'E
 
Früh am morgen wurde Derek Goh samt Kameramann von Henry in einem kleinen Boot vorbeigebracht, um unsere letzten Vorbereitungen und unsere Abfahrt zu Filmen.  Das paßte uns eigentlich nicht so gut in den Kram, denn Abfahrten sind immer ein wenig hektisch und chaotisch.  Dieses Mal sollte es außerdem rund um Singapur und danach in die Malakkastraße gehen.  Wir planten nur tagsüber zu segeln und der erste Ankerplatz war weit weg. 
 
Schließlich kamen wir aber trotzdem in die Gänge und hatten schon bald unseren Spaß mit diversen Schleppern welche große Lastkähne hinter sich herzogen, uns auf beiden Seiten überholten und es anscheinend gar nicht verstehen konnten, daß wir viel zu langsam waren, um ihnen auszuweichen.  Anfangs war die Tide noch gegen uns, da Manager Edward uns geraten hatte beim ersten Tageslicht loszufahren.  Dazu kam dann noch, daß einige Fischer ihre Netze mitten im Fahrwasser ausgelegt hatten & wir auf jeden Fall vermeiden wollten so ein Ding um eine unserer Schrauben zu wickeln. 
 
Als wir erst einmal im Verkehrstrennungsgebiet waren, ging alles ein bißchen ruhiger ab, obwohl zwischen zwei dicken Schiffen immer nur ein Abstand von ein paar hundert Metern waren.   Leider kamen wir nur sehr langsam voran, so daß wir gezwungen waren bis gegen 22:00 Uhr durchzusegeln.  Wir ankerten in sehr flachem Wasser und sahen uns die Feuerwerke zum Chinesischen Mondneujahr an.  Den nächsten Morgen bemerkten wir, daß wir sehr dicht an einer Fischfarm geankert hatten, von der nur das Hauptgebäude beleuchtet war.  Wir beschlossen einen Tag auszusetzen, um ein wenig Schlaf nachzuholen, denn nach der Abschiedsfete der Singapur-Chinesen auf der Fischfarm waren wir erst um 1:30 Uhr wieder an Bord gekommen und dann dauerte es natürlich noch eine ganze Weile bis wir endlich einschlafen konnten.   
 
Am Morgen danach trauten wir unseren Augen kaum, als ein Treibnetz direkt auf uns zukam und zwar gar nicht so langsam.  Wir konnten gerade noch in letzter Minute die Maschinen starten und uns schleunigst rückwärts entfernen.  Auch am nächsten Abend gingen wir vor Anker, denn die überwiegende Meinung unserer Freunde in Singapur war, daß wir sonst mit 50%iger Sicherheit so ein Netz aufgabeln würden.  Und nachts tauchen gehen, bei starker Strömung, Schiffen überall, um sich aus so einem Netz zu befreien, stand zu ziemlich an unterster Stelle von den wünschenswerten Vorkommnissen auf diesem Törn. 
 
Als wir am Ankerplatz ein paar Fischer sahen, die gerade dabei waren ihr Netz auszubringen, lud ich sie auf einen Kaffee an Bord ein.  Daud & Hassan nahmen dankbar an, meinten wir bräuchten uns keine Sorgen wegen ihres Netzes zu machen und wenn wir irgendwelche Probleme hätten, sollten wir den anderen Fischern von ihnen erzählen, denn alle Fischer in dieser Gegend wären sehr gut miteinander bekannt.  Als sie sich wieder an ihre Arbeit machten, kroch ich dann auch bald in die Koje.
 
Bis ich durch ein knarrendes Geräusch geweckt wurde, welches ich allerdings nicht orten konnte.  Liping hörte es auch, wußte aber ebenfalls nichts damit anzufangen.  Bald kam ein kleines Fischerboot und gleich darauf sah ich die Bescherung.  Ihr Treibnetz hatte sich in unserer Ankerkette verfangen und die sehr starke Strömung verursachte das knarrende Geräusch.  Kaum hatte ich das begriffen, piepte auch schon der Ankeralarm.  Ich rief die Fischer an, sie krachten mit ihrem Holzkahn in unseren Backbordbug und zwei kamen an Bord.  Keine Chance bei der starken Strömung das Netz zu retten, also stand der eine Knabe wie auf einem Drahtseil auf dem Netz und schnitt es mit einer sehr scharfen Machete durch.  Sie versprachen gegen Mitternacht zurück zu kommen und versuchten den Rest des Netzes zu retten. 
 
Wir hatten bei der ganzen Sache allerdings viel mehr Schaden davongetragen, denn die Löcher im Gelcoat, die Kratzer, Beulen und Schrammen ließen sich nicht so einfach beseitigen.  Als der Vater (Pensionär) und seine beiden Söhne später an Bord kamen, gab es erst wieder einmal Kaffee, dann gab es ein längeres Palaver.  Sie bräuchten ein neues Netzsegment, welches 40 Ringgit (€ 8,58) kosten würde & außerdem erzählten sie uns, daß es eine ganz schlechte Idee wäre im flachen Wasser zu ankern.  Überall würden die Fischer mit ihren Treibnetzen arbeiten, so daß wir garantiert wieder denselben Streß hätten.  Sie meinten, daß wir schon genau so eine weiße Boje mitnehmen müßten, bevor es Ärger mit dem Propeller gäbe und rieten uns genau an der Kante der Fahrwassers gen Norden zu segeln. 
 
Das taten wir dann auch & kamen dabei relativ problemlos voran.  Dicht vor Langkawi allerdings, bei allerbester Sicht & voller Festbeleuchtung, wären wir fast schon wieder von einem kleinen Frachter übergemangelt worden.  Es war meine Wache, ich konnte den Kahn kommen sehen, konnte aber beim besten Willen nicht entscheiden nach welcher Seite ich ausweichen sollte.  Es mußte im rechten Winkel geschehen, aber unser Boot ist dermaßen langsam, daß die falsche Richtung fatale Folgen gehabt hätte. 
 
Als der Frachter etwa zwei Bootslängen hinter uns vorbeizischte, hatte ich wieder einmal das Grosse Zittern und das Herz schien mir in der Brust zerspringen zu vollen.  Noch nach Stunden merkte ich den Effekt des Adrenalins und ging dementsprechend spät in die Heia.  Radar und AIS wären vielleicht doch nicht schlecht, denn aus dem Fenster guckt anscheinend gar keiner mehr.
 
Wir mußten die Segel runter holen, was gar nicht so einfach war da unsere Rollreffanlage "eingefroren" war.  Wahrscheinlich hatten die Kugellager das Zeitliche gesegelt.  Bei Tageslicht ging es dann ohne Wind weiter nach Kuah, wo wir problemlos einklarierten.  Liping bekam eine Aufenthaltsgenehmigung von 14 Tagen... 
 
Das erste was wir hier bemerkten, war große Hitze.  Zwar nicht ganz so schlimm wie in Darwin aber mit 37°C doch schon ganz beachtlich - vor allem wenn man schwere Arbeiten zu erledigen hat oder - noch viel schlimmer - im Maschinenraum arbeiten muß.  Natürlich stand gerade so etwas an, denn erst einmal durfte ich um die 160 Liter Wasser durch die Gegend schleppen, um unsere Tanks wieder aufzufüllen, dann stand Verproviantierung an und schließlich  mußten auch noch zwei sauschwere Batterien ausgewechselt werden.  Letzteres dauerte einen ganzen Tag & ich war gar nicht mehr ansprechbar, dafür aber mit blauen Flecken & Schrammen übersät.  Zu allem Überfluß hatte ich mir auch noch die rechte Hand "verbogen".  Den Rest des Abends, bzw. der Nacht, verbrachte ich dann im Cockpit mit einem guten Buch und diversen Gin & Tonics.  Eine Literflasche Gin kostet hier nämlich nur € 3,86! 
 
Glücklicherweise gibt es ja nicht nur Streß, obwohl mir da manchmal meine Zweifel kommen.  Wir lernten Rene & Nadine von der HALLIE aus Südafrika kennen und verbrachten viele schöne Stunden zusammen.  Auch trafen wir den Malaysier Abraham, ursprünglich aus Pinang & viele Jahre lang als Seemann tätig gewesen.  Er ist ein Großvater, sieht auch so aus, ist aber tatsächlich nur wenig älter als ich.  Wir verstanden uns auf Anhieb gut, er fuhr uns überall auf der Insel herum und bald waren wir beste Freunde.  Wenn all diese Leute nicht wären, dann würden wir diesen Lebensstil über kurz oder lang an den Nagel hängen.  So aber sind sie immer wieder ein Anreiz weiter zu machen.  
 
Sich hier niederzulassen scheint allerdings für die meisten Ausländer gar nicht so gut zu sein.  Das Leben ist spottbillig (wir drei können hier relativ problemlos für € 150 im Monat leben), die Sonne brennt heiß vom Himmel, der Strand & die Palmen sind so, wie man es aus den Touristenprospekten kennt  --  aber dieses einfache Leben so ganz ohne Arbeit & Zukunft verleitet zum totalen Nichtstun, zur Lethargie und vor allem zum Saufen.  Ted & Adrienne von MOMENTUM, die wir schon in Darwin kennengelernt hatten & die zwei Kinder an Bord haben, reden sogar von "Death Row".  Die meisten Leute planen bis ans Ende ihres Lebens hier zu bleiben, eben weil es hier so billig ist, sie nie wieder arbeiten müssen und sich ein Leben in Europa, Nordamerika, Australien oder so gar nicht mehr so richtig vorstellen können.  Auch wenn sie in echter Armut leben, langsam aber sicher alle ihre Zähne oder auch mal ein Bein verlieren, auch wenn sie als Landstreicher ihr Leben fristen müssen.  Auch wenn die Einsamkeit sie um den Verstand bringt.  Und bis jetzt hat kein Einziger, weder hier noch in Indonesien, es sich selbst eingestanden, daß es vielleicht doch besser wäre, seine Zelte abzubrechen, um es noch ein mal in der alten Heimat oder auch anderswo zu versuchen. 
 
Das erschreckt uns, vor allem mich.  Wenn ich nun auch eines Tages in diese Falle gerate?  So wenig ich die Idee liebe, irgendwo wieder eine Firma aufzubauen und zu arbeiten, so ziehe ich es doch vor, bis ans Ende meines Lebens zu arbeiten als hier so armselig dahinzuvegetieren.  Schon jetzt stört es mich, daß meine Freunde immer weniger werden.  In Neuseeland gab es noch Schelmi & Isabelle (WAKATAITEA), Roy (SEA LOONE) und ein paar andere Leute, die wirklich auf unserer Wellenlänge waren, aber jetzt sind wir wieder in den Ecken der "Second Lifers" (wie Holger von der PYTHEAS IV sie nennt) gelandet.  Gerade gestern waren wir auf so einem gemeinsamen Abendessen der "Cruisers" und mußten feststellen, daß wir so gut wie gar nichts mit den Leuten gemein haben.  Hilft natürlich auch nicht, daß einige von den Männern Gloria ewig lange unverschämt anstarren, anzügliche Bemerkungen machen (z. B. "Pussy-power doesn't work around here!"), man entweder total ignoriert oder von blutigen Anfängern belehrt wird wie man es zu machen hat.  Da mußte ich dann (wie schon so oft) an Worte von Bill Gross denken, dessen monatlichen Artikel ich seit vielen Jahren lese.  Leider alles nur auf Englisch, aber hier ist der Link:  http://tinyurl.com/yfejbkt 
 
Vor ein paar Tagen haben wir uns dann für € 8,71 pro Tag ein Auto mit Klimaanlage gemietet & sind auf die andere Seite der Insel gefahren, wo Liping nur eine einmalige Verlängerung für 30 Tage bekommen hat.  Also werden sie & Aurora Ulani am 6. April nach Kuala Lumpur & am Tag danach nach Taipei fliegen, während ich als Strohwitwer hoffentlich gute Fortschnitte am Boot machen werde.  Irgendwann werde dann auch ich per Schnellfähre nach Thailand jetten, denn irgendwann läuft auch mein Visum aus.  Glücklicherweise kann das Boot so lange im Land bleiben, wie man will, so daß es in dieser Richtung zumindest keinen Streß geben wird. 
 
Das Vorsegel ist inzwischen beim Segelmacher, der Rigger kommt Dienstag, um die Rollreffanlage zu insten & der Mechaniker hat auch schon die Kurbelwellendichtung bestellt.  Es geht also voran!  :-)
 
So, jetzt werde ich mir gleich einen Sundowner mixen & vielleicht noch Abraham anrufen, der mit seiner Frau aus Thailand bei uns vorbei kommen wollte.  
 
Ciao for now!
 
Aurora Ulani, Liping & Holger
 
 
Tel: +60175767958 

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